Wer davon ausgeht, nur Schulden zu erben, im Nachhinein aber feststellt, dass umfangreiches Vermögen vorhanden ist, kann nur in ganz bestimmten Fällen die Ausschlagung der Erbschaft (§ 1945 BGB) anfechten und so an das Erbe gelangen. Es ist daher Vorsicht geboten!
Ein bloßer Irrtum über den Wert des Nachlasses ist für eine Anfechtung der Ausschlagung nicht ausreichend. Wer also über den Wert eines bestimmten Nachlassgegenstands irrt, ist nicht zur Anfechtung berechtigt.
Vielmehr muss ein Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses bestehen, also das Erbe in Unkenntnis bestimmter Vermögenswerte ausgeschlagen worden sein. Zusätzlich muss die Ausschlagung auch auf diesem Irrtum beruhen, was der Fall ist, wenn die Ausschlagung bei Kenntnis der wahren Sachlage unterblieben wäre.
Deutlich wird dies in Beschlüssen des Oberlandesgerichts Zweibrücken (Beschl. v. 14.08.2024 – 8 W 102/23) und des Oberlandesgerichts Frankfurt (Beschl. v. 24.07.2024, Az. 21 W 146/23), in denen sich die Gerichte mit zwei sehr ähnlichen, aber doch nicht gleichen Sachverhalten auseinandersetzen mussten.
In dem der Entscheidung des OLG Frankfurt zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die Tochter das Erbe ihrer Mutter ausgeschlagen. Ein Kontakt bestand aufgrund einer Alkoholkrankheit der Mutter bereits seit dem elften Lebensjahr der Tochter nicht mehr. Nach dem Tod der Mutter hatte die zuständige Kriminalbeamtin der Tochter von den Todesumständen und dem chaotischen und unaufgeräumten Zustand der Wohnung der Erblasserin (Mutter) berichtet. Aufgrund der schlimmen Kindheitserfahrungen und des Berichts war sie davon ausgegangen, dass ihre Mutter abgerutscht sei und im sozialen Brennpunkt gelebt haben müsse. Erst später erfuhr sie, dass sich auf Sparkonto und Girokonto der Mutter ein hoher fünfstelliger Betrag befand. Das OLG erblickte hierin einen Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses, der nach § 119 II BGB zur Anfechtung berechtigt und ihr so ermöglicht, zu erben.
Auch das OLG Zweibrücken ging bei seiner Entscheidung, die eine Enkelin betraf, welche ebenfalls das Erbe ausgeschlagen hatte, weil sie von der Überschuldung des Nachlasses ausging, von einem derartigen Irrtum aus, nachdem sich herausstellt hatte, dass ein Bankkonto mit Guthaben im vierstelligen Bereich vorhanden war. Das OLG Zweibrücken sieht in diesem Irrtum im konkreten Fall jedoch keinen Anfechtungsgrund; denn auch wenn die Enkelin Kenntnis von der wahren Sachlage gehabt hätte, wäre sie von der Überschuldung des Nachlasses ausgegangen und hätte das Erbe ausgeschlagen, so dass der Irrtum für die Ausschlagung nicht kausal war. Damit geht die Enkelin leer aus!
Das zeigt, dass es gerade im Erbrecht auf Feinheiten ankommt und nichts überstürzt werden sollte.
In der Regel sollte daher ein Anwalt konsultiert werden!